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 Iny Lorentz

 Glanz der Ferne

 

 

 ·         Taschenbuch: 608 Seiten

 ·         Verlag: Knaur TB

 ·         ISBN-13: 978-3426518892

 #GlanzderFerne

  

Gekonnt gestaltetes Zeitgemälde

 

Zu meinem großen Bedauern habe ich die Vorgängerbände „Tage des Sturms“ und „Licht in den Wolken“ nicht gelesen, wurde also sozusagen unwissend hineingeworfen in die Familien-Saga mit ihren zahlreichen Familienmitgliedern und freundschaftlichen oder weniger wohlwollenden Verbindungen. Da war mir das Personenverzeichnis am Ende des Buches durchaus hilfreich. Aber ansonsten erging es mir wie immer bei jedem Buch diesen Autoren-Ehepaares: Man beginnt zu lesen und es vergehen nur wenige Minuten, bis man in der Handlung versunken ist, bis man sich in einer anderen Zeit befindet. 

 

Im vorliegenden Buch erleben wir die Jahre des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Berlin. Rätselhafte Auftragsstornierungen schränken die Geschäfte von Theo von Hartung immer mehr ein und bringen die Tuchfabrik letztlich in eine finanzielle Schieflage. Vicky von Gentzsch trägt ein schweres Los, denn ihre Mutter war bei der Geburt gestorben. Ihr Vater gibt ihr am Tod seiner geliebten Frau die Schuld, sie muss ein Leben wie Aschenputtel führen, umgeben von Ablehnung und emotionaler Kälte. Die Lieblosigkeit von Vater und Stiefmutter ließ sie zu einer unangepassten, aufbegehrenden Persönlichkeit heranreifen, die ständig die steifen Gesellschaftsregeln verletzt. Erst durch die Familie mütterlicherseits, durch ihre Großmutter Theresa und Tante Friederike, erfährt sie so etwas wie Herzenswärme.  Doch das Glück hält nicht lange an…

  

Es ist zu bewundern, wie es das Schriftsteller-Ehepaar bei jedem neuen Roman aufs neue schafft, ein Szenario zu gestalten, das dank akribischer Recherche historisch stimmig und dank des farbig-lebendigen Schreibstils so intensiv geschildert wird, dass man als Leser sofort eintaucht in das jeweilige Zeitgefühl, im vorliegenden Buch in die wirtschaftlich und politisch bewegte Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts. Aber nicht nur der Zeitgeist nimmt gefangen, auch die Protagonisten werden in ihren individuellen Persönlichkeiten so treffend, so vielschichtig und psychologisch stimmig dargestellt, dass der Leser gar nicht anders kann, als sie zu mögen oder abzulehnen, als mit ihnen zu bangen, mit ihnen zu hoffen oder zu verzweifeln. Und aus der emotionalen Bindung, die der Leser zu den handelnden Personen aufbaut, entwickelt sich eine ganz besondere Lese-Spannung, der man sich nicht entziehen kann.